Inspiration & Talk Macht die Stadt krank?

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Inspiration Talk Juni 2023 3

Das Leben in der Stadt bietet Inspiration an jeder Ecke, alles ist ständig im Wandel. Gleichzeitig leider Städter öfter an psychischen Erkrankungen als Landbewohner. Macht die Stadt uns also krank? Dieser Frage ist Sabine Hansky, Director Program & Expert for Urban Development Im Munich Urban Colab, mit einer Expertenrunde und rund 100 Gästen bei „Inspiration & Talk“ nachgegangen.

Eröffnet wurde die Veranstaltung von Mazda Adli, der in seinem Impulsvortrag Einblicke in seine Forschung gab. So leiden Stadtbewohner im Vergleich zu Menschen auf dem Land häufiger an Depressionen, Angsterkrankungen und Schizophrenie. Die Gründe: Unkontrollierbare soziale Dichte, soziale Isolation und Faktoren wie die Feinstaubbelastung. „Ich wünsche mir, dass wir mehr darüber reden, welche gesundheitlichen Auswirkungen der Feinstaub hat. Auch hinsichtlich des Tempolimits müssen wir uns die Frage stellen, ob wir die individuelle Freiheit über die Gesundheit aller stellen“, betonte Adli.

Wir brauchen eine urbane Mental Health Strategie.
Prof. Dr. med. Mazda Adli - Stressforscher, Psychiater und Autor

Den Status Quo und mögliche Ansätze für die Gesundheit in der Stadt diskutierte Sabine Hansky anschließend mit Beatrix Zurek (Gesundheitsreferentin der Landeshauptstadt München), Dr. Caroline Jung-Sievers (Ludwig-Maximilians-Universität München) und Dr. Rudolf Tille (Facharzt für Allgemeinmedizin).

Das sind die wichtigsten Erkenntnisse:

  • Im Jahr 1950 lebte rund ein Drittel der Bevölkerung in Städten, bis 2050 werden es rund zwei Drittel sein. Soziale Dichte führt zu Verhaltensänderungen, Reizbarkeit, psychischen Störungen und höherer Mortalität. Es braucht also Rückzugsmöglichkeiten und Privatsphäre in der Stadt.
  • Öffentliche Räume haben einen Public Health Auftrag und müssen gefördert werden – dazu gehören städtische Grünflächen für die Erholung, aber auch Kulturräume zur Gemeinschaftsförderung.
  • Die soziale Isolation, insbesondere bei Risikogruppen, muss reduzieren werden. Im Hinblick auf die Corona-Pandemie ist der Befund besorgniserregend, dass soziale Isolation einen größeren Einfluss auf vorzeitige Sterblichkeit hat als das Rauchen von bis zu 15 Zigaretten am Tag. „Es ist ganz wichtig, Vereinsamungstendenzen frühzeitig zu erkennen“, mahnte die Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek. In diesem Zusammenhang nannte Dr. Caroline Jung-Sievers die Idee des „Social Prescribing“ – also dem sozialen Miteinander auf Rezept.
  • Neue Stadtviertel in der Landeshauptstadt München werden bereits nicht nur unter sozialökonomischen, sondern auch unter gesunden Aspekten geplant.
  • Städte machen aber nicht per se krank. Es gibt viele Faktoren, die für Forscherinnen und Forscher zum Teil noch eine Blackbox sind. Doch es existieren Ansätze, um Städte besser zu verstehen und Lücken zu schließen, beispielsweise das Citizen-Science-Projekt "Deine emotionale Stadt" in Berlin.
  • Ist das Leben auf dem Land also gesünder? Dr. Rudolf Tille erklärte, dass sich das nicht pauschal sagen ließe. Denn Menschen auf dem Land leben meist ungesünder und leider im Vergleich zu Stadtbewohnern häufiger an Fettleibigkeit oder höherem Blutdruck. Und auch die Suizidrate ist auf dem Land höher. Zu den Ursachen gehört beispielsweise die Tatsache, dass es in ländlichen Gebieten schwieriger ist, einen Platz in der Psychotherapie zu bekommen und psychische Krankheiten noch immer stigmatisiert werden. Aus dem Publikum wurde eine weitere Vermutung aus der Forschung genannt: Menschen auf dem Land können sich von der globalisierten Welt schnell abgehängt fühlen und so ihr Zugehörigkeitsgefühl verlieren.

Vielen Dank an unsere Bühnengäste - und natürlich an das Publikum für die vielen guten Fragen.

Impressionen (Fotocredit: Michaela Rehle)

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