Der Schlüssel zur gemeinsamen Mobilität? Digital Hub Mobility testet privates Carsharing in München

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In einer Welt, in der Nachhaltigkeit und effiziente Ressourcennutzung immer wichtiger werden, haben sich Carsharing-Konzepte zu einer attraktiven Alternative zum eigenen Auto entwickelt – insbesondere in Ballungsräumen. Im Gegensatz zu kommerziellem Carsharing von Anbietern wie Miles, Share Now & Co. ist privates Carsharing allerdings noch wenig verbreitet. Und das, obwohl es nahe liegt, ein Auto mit anderen zu teilen: Laut Kraftfahrt-Bundesamt sind in Deutschland rund 43,3 Millionen Pkws auf private Halterinnen und Halter zugelassen (Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt; Januar 2022) – der private Bestand ist also immens. Noch dazu fristet die Mehrheit dieser Autos die meiste Zeit ihres Lebens auf dem Parkplatz, in Großstädten im Schnitt 23 Stunden pro Tag.

Aus diesem Grund hat der Digital Hub Mobility, der Innovationen für eine nachhaltige Mobilität in lebenswerten Räumen entwickelt und Teil des Ökosystems im Munich Urban Colab ist, im November 2022 das Pilotprojekt „Hausflotte“ ins Leben gerufen. Das Ziel: Privates Carsharing in Hausgemeinschaften und Nachbarschaften testen, Einstiegshürden verstehen und Zukunftspotenziale identifizieren.

Warum sollte man das eigene Auto mit anderen Personen teilen? Wie ist eine „Hausflotte“ organisiert? Und welche Rolle nimmt das Mobilitätsreferat der Landeshauptstadt München und die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) in diesem Projekt ein?

Welche Vorteile hat privates Carsharing?

Eines der wichtigsten Argumente ist die positive Auswirkung auf die Umwelt. Indem mehrere Personen ein bereits vorhandenes Auto nutzen, reduziert sich die Anzahl der Fahrzeuge auf den Straßen und damit der Ausstoß an CO2-Emissionen. Außerdem werden durch die bessere Auslastung mehr Freiräume geschaffen, denn jedes parkende Auto nimmt zehn oder mehr Quadratmeter Fläche in Beschlag, die ungenutzt bleibt. Das Teilen des eigenen Autos leistet also einen Beitrag zu einer lebenswerten Stadt und spielt eine wichtige Rolle in der Mobilitätswende.

Es geht aber auch um das eigene Portemonnaie: Autobesitzerinnen und -besitzer können ihre Kosten ohne großen Aufwand reduzieren, indem beispielsweise Standschäden vermieden werden. Feste Bremsen, poröses Gummi oder leere Batterie gehören zu den häufigsten – und kostenintensiven – Problemen ungenutzter Autos. Wie in anderen Bereichen der „Sharing Economy“ gibt es natürlich auch eine soziale Komponente: Privates Carsharing bringt Menschen zusammen, die sich vielleicht sonst nie begegnet wären. Es führt zu weniger Anonymität und stärkt den Zusammenhalt in einer Nachbarschaft oder Gemeinschaft.

Was ist eine Hausflotte und wie organisiert sie sich?

Viele Vorteile liegen auf der Hand, dennoch „fliegt“ privates Carsharing noch nicht – auch in München nicht. Das belegen aktuelle Zahlen: Rund 752.000 PKWs in München (Quelle: Zimas, 31.03.2023) stehen 96% der Zeit ungenutzt herum (Quelle: Umweltbundesamt; 2022), während 60% der Autobesitzerinnen und -besitzer objektiv nicht vom Auto abhängig sind (Quelle: BMW AG / KIT, 2020). Wie kann eine Hausflotte das ändern?

Hausflotte P2 P Pilot
Startschuss für den Hausflotte-Pilot in Schwabing: Drei wenig genutzte Fahrzeuge wurden gegen ein gemeinsames „Community Car“ von MINI ersetzt.

In einer Hausflotte schließen sich Nachbarinnen und Nachbarn, Freundinnen und Freunde oder eine ganze Hausgemeinschaft zusammen. Mindestens eine Person stellt ein Auto für die anderen Mitglieder der Hausflotte zum Sharing zur Verfügung. Ein fairer Mietpreis – beispielsweise pro Kilometer, Stunde oder Tag – wird gemeinsam festgelegt. Im Co-Innovationsprojekts des Digital Hub Mobility und seinen Projektpartnern teilten sich drei Hausgemeinschaften in München von November bis Mai 2023 je ein Auto. Die Zusammensetzung und Größe der Hausflotten war dabei sehr unterschiedlich: Von einer kleinen Hausflotte bestehend aus zwei Nachbarinnen bis hin zu einer Gruppe aus vier Personen, die drei private PKWs durch ein „Community Car“ – das von MINI für 4 Wochen kostenfrei zur Verfügung gestellt wurde – ersetzten. Die Haushalte organisierten die Nutzung des Autos zunächst über einen gemeinsamen digitalen Kalender und per SMS, die Autoschlüssel wurden manuell übergeben. In der zweiten Phase testeten sie anschließend eine vom Projektteam gemeinsam mit den Start-ups ANYMOVE und flinkey entwickelte digitale Lösung: Über eine Smartphone-App konnten die Personen die Hausflotten-Fahrzeuge nun buchen und digital, ohne physischen Schlüssel, öffnen.

Was sind die Ergebnisse der ersten Pilotflotten?

Die erste Phase des Projekts „Hausflotte“ hat gezeigt, dass das nicht-kommerzielle Teilen von Privatautos möglich ist und eine grundsätzliche Offenheit vorherrscht. Als wichtige Grundvoraussetzung nannten die Teilnehmenden die räumliche Nähe und das gegenseitige Vertrauen – denn im Vergleich zum kommerziellen Carsharing kennt man sich, wohnt quasi Tür an Tür. „Das macht es für mich insgesamt so einfach und so sympathisch zugleich“, sagt Teilnehmerin Anke aus dem Stadtteil Schwanthalerhöhe. Als persönliche Motivation gaben viele den Wunsch an, einen Beitrag zur Verkehrswende leisten und neue Mobilitätskonzepte ausprobieren zu wollen. Es gehe außerdem darum, die Autonutzung zu reflektieren und die eigene Mobilität neu zu definieren. „Ich finde es gut, wenn mein Auto mehr genutzt wird. Außerdem gefällt mir der gemeinnützige Gedanke”, berichtet Carola aus dem Anglerblock in München.

Hausflotte Event
Im Munich Urban Colab wurden die Ergebnisse aus dem Pilotprojekt vorgestellt und die größten Hürden für Community- und P2P-Carsharing-Ansätze diskutiert.

Demnach fußt privates Carsharing hauptsächlich auf idealistischen Gründen, echte Anreize fehlen bislang. Das Verhältnis zwischen Aufwand und Einsparung stimmt nicht. Es entsteht kein realer Druck, das eigene Auto zu teilen. „Ein Privatauto ist in Relation zur Nutzung absurd teuer und trotzdem für viele selbstverständlich“, betont Kristin Hegner, Managing Director des Digital Hub Mobility. Auch die Skalierung ist mit einem sich selbst tragenden Geschäftsmodell unter aktuellen Rahmenbedingungen schwierig. Zu den größten Einstiegshürden zählen laut den Teilnehmenden weniger technische als vielmehr rechtliche Bedenken – insbesondere bei der Versicherung und den Steuern.

Warum ist das Mobilitätsreferat der Landeshauptstadt München und die MVG so wichtig?

Neben den Projektpartnern BMW Group, Mini, IABG, Designit, Klink, ANYMOVE, flinkey waren an dem Pilotprojekt auch das Mobilitätsreferat der Landeshauptstadt München und die MVG beteiligt. „Das Mobilitätsreferat hilft uns zu verstehen, was eine Stadt braucht, um innovative Lösungen in den Alltag und die Aufgaben einer Verwaltung zu integrieren“, so Maximilian Ritz, Senior Service Designer des Digital Hub Mobility. „Auch ist die Landeshauptstadt München enorm wichtig, damit wir effektiv an Bürgerinnen und Bürger kommunizieren. Wir brauchen diese Unterstützung, um Menschen auf das Projekt und dessen Vorteile aufmerksam machen.“ Die Zusammenarbeit beschränkt sich dabei nicht nur auf einzelne Projekte, sondern ist eine langfristige, übergeordnete und strategische Kooperation – weit über die Hausflotte hinaus. Die MVG, einer der größten Arbeitgeber Münchens und mit einem eigenen Mobilitätslabor im Munich Urban Colab vertreten, unterstützt die Hausflotte zusätzlich mit ihrer inhaltlichen Expertise für nachhaltige und multimodale Mobilität. „Der Zugang zu diesem Wissen ist für uns unwahrscheinlich wertvoll“, erklärt Ritz.

Wie geht es mit der Hausflotte weiter?

Mit den gewonnenen Erkenntnissen und einem ambitionierten Ziel startete der Digital Hub Mobility Mitte September 2023 in die nächste Projektstufe: Mehr als 50 Hausflotten will das Team in München und Umgebung bis Ende des Jahres auf die Straße bringen. Dafür wurde im ersten Schritt nicht nur die Bewerbung für Interessierte vereinfacht – jeder kann mithilfe eines Leitfadens in nur 4 Schritten seine eigene Hausflotte starten –, künftig sollen auch Versicherungspartner eingebunden werden, um die rechtlichen Bedenken als Einstiegshürde schnell und einfach auszuräumen. Gerade digitale Lösungen haben die Organisation einer Hausflotte in der ersten Projektphase erleichtert. Der Digital Hub Mobility möchte App, Hardware und Versicherung deshalb zu einem ganzheitlichen Produkt weiterentwickeln.

Hausflotte Workshop
Die Hausflotte geht in die nächste Runde: Gemeinsam mit Partnern aus Verwaltung, Industrie und Start-ups arbeitet der Digital Hub Mobility an Strategien und Lösungen für privates Carsharing und Lastenradsharing.

„Wir planen außerdem, das Angebot über Autos hinaus, beispielsweise auf Lastenräder, auszuweiten“, sagt Maximilian Ritz. Um die Hausflotte als Konzept in Quartieren zu skalieren, gehen die Projektverantwortlichen u.a. in die Ansprache von Multiplikatoren wie Genossenschaften. Lokale Veranstaltungen und Workshops, beispielsweise beim Münchner Reallabor „aqt” des MCube (Munich Cluster for the future of Mobility in Metropolitan Regions) in der Kolumbusstraße oder im Rahmen der IAA in München, wurden genutzt, um Ideen und Fragen zu diskutieren und die Bedürfnisse vor Ort besser zu verstehen.

Hausflotte aqt
Das Hausflotte-Projekt zu Gast im Münchner Reallabor “aqt” des MCube (Munich Cluster for the future of Mobility in Metropolitan Regions).

Auch wenn die zweite Projektphase bereits gestartet ist, können Interessierte jederzeit ihre eigene Hausflotte starten. Partner und Start-ups sind eingeladen, gemeinsam mit dem Digital Hub Mobility daran zu arbeiten, die Hürden für privates Carsharing zu überwinden und kundenorientierte Angebote zu schaffen. Weiterführende Informationen gibt es auf der Hausflotte-Projektseite.